Seit April 2024 ist Annette Stolz Geschäftsleiterin der Rheumaliga Schweiz (RLS). In diesem Interview spricht sie über ihre Motivation, die Stärken der Organisation sowie den Stellenwert von Bewegung in ihrem eigenen Alltag.
Interview: Simone Fankhauser
Rheumaliga Schweiz: Am 8. April haben Sie die Arbeit als Geschäftsleiterin der RLS aufgenommen. Was hat Sie am Thema «Rheuma» bislang am meisten überrascht?
Annette Stolz: Die Vielseitigkeit der rheumatischen Erkrankungen. Ich hatte keine Ahnung, dass es über 200 verschiedene Krankheitsbilder gibt. Überraschend fand ich auch, wie sehr mich das Thema gepackt hat. Ich habe richtig Lust darauf, mich aus medizinischer Sicht Schritt für Schritt einzuarbeiten. Auch die weite Verbreitung hat mich überrascht, also dass über zwei Millionen Menschen in der Schweiz betroffen sind. Rheuma ist der unsichtbare Elefant im Schweizer Gesundheitswesen.
Rheumaliga Schweiz: Sie haben zuvor lange für Novartis gearbeitet. Was war Ihre Motivation zu einer Patientenorganisation zu wechseln?
Annette Stolz: Ich habe 13 Jahre lang in der Industrie gearbeitet. Zuerst am Konzern-Hauptsitz, ab 2018 in einer Tochterfirma. Diese war eigentlich ein KMU, also eine viel kleinere Organisation. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. Es gab ein klares Ziel und eine pragmatische Herangehensweise. Die Organisation war zudem sehr nahe an den Patientenbedürfnissen. Das sind alles Dinge, die sehr ähnlich sind bei der Rheumaliga Schweiz. Meine Aufgabe war es, eine Verbindung zwischen dem Industrieunternehmen und der Gesellschaft zu schaffen. Ich hatte sehr viel zu tun mit Patientenorganisationen, öffentlichen Entscheidungsträgern sowie den Medien. Somit hatte ich schon immer ein Bein in der Industrie und eines in der Gesellschaft. Für mich war der Schritt nicht so gross, wie er von aussen vielleicht erscheinen mag.
Meine Aufgabe ist es, Raum zu schaffen für neue Ideen.
Annette Stolz, Geschäftsleiterin Rheumaliga Schweiz
Rheumaliga Schweiz: Wo sehen Sie die Stärken der Rheumaliga Schweiz?
Annette Stolz: Wir sind Anlaufstelle für Betroffene, bieten Fortbildungen für Fachpersonen und sind Trägerin von innovativen Versorgungsprojekten. Letztere beinhalten in der Grundversorgung die Weiterbildung für MPAs und in der Prävention die multifaktorielle Sturzprävention. Diese drei Grundpfeiler, also Helfen, Vernetzen, Verändern, sind eine sehr spannende Ausgangslage. Das führt zu einer unglaublichen Kompetenz, die die Rheumaliga in sich vereint, weil sie eben im Austausch mit den Betroffenen, aber auch mit den Fachpersonen steht. Hier sehe ich ein grosses Potenzial, was wir als Rheumaliga beitragen können, sowohl direkt bei den Betroffenen wie auch im strukturellen Wandel des Gesundheitssystems.
Rheumaliga Schweiz: Welches sind die grössten Herausforderungen?
Annette Stolz: Wahrscheinlich die Verzettelung. Wir haben sehr begrenzte Ressourcen, wir sind eine spendenbasierte Organisation und es ist eine relativ umfassende Aufgabe, die wir uns stellen. Daher müssen wir schauen, dass wir uns nicht verzetteln.
Rheumaliga Schweiz: Welche Projekte stehen in nächster Zukunft an?
Annette Stolz: Die Digitalisierung ist sicher ein Schwerpunkt. Wir wissen, dass dies jetzt der Zeitpunkt ist, wo wir investieren müssen, damit wir nicht abgehängt werden. Ich glaube, die Digitalisierung ist auch ein Reflexionsprozess: wie müssen unsere Angebote in Zukunft aussehen, damit sie hilfreich sind für die Betroffenen?
Rheumaliga Schweiz: Gibt es Dienstleistungen, die Sie gerne ausbauen möchten?
Annette Stolz: Vielleicht müsste man eher ein paar Angebote ausstauben, damit Raum entstehen kann, um Neues zu schaffen. Meine Aufgabe sehe ich darin, diesen Raum zu schaffen, damit wir neue Ideen gemeinsam entwickeln können.
Rheumaliga Schweiz: Bewegung ist das grosse Thema der Rheumaliga Schweiz. Welchen Stellenwert hat diese in Ihrem Alltag?
Annette Stolz: Seit ich mit diesem Thema konfrontiert bin, nehme ich tatsächlich öfters die Treppe statt des Liftes (lacht). Ich bewege mich sehr gerne, vor allem in der Natur. Mit dem neuen Alltag, den die Stelle bei der Rheumaliga mit sich bringt, ist es allerdings noch eine ungelöste Herausforderung, wie ich Sport integrieren kann. Am Wochenende bin ich viel draussen, am Velofahren, Joggen oder Schwimmen. Unter der Woche bleibt es aber meist bei der Alltagsbewegung.